Bowie in der WAZ 3.11.03 04-11-2003, 17:56:40 03.11.2003 WAZ / KULTUR / MANTELhttp://www.waz.de/waz/waz.archiv.frameset.phpDie neue BescheidenheitDavid Bowie liefert mit sparsamen Mitteln dieperfekte Show Von Georg Howahl WAZ Köln. Jemandem wie David Bowie zubegegnen, erfüllt mit Ehrfurcht. Dort stehtein Mann, ein Künstler, eine Hitmaschine.Jemand, der sich so oft selbst inszeniert hat,dass er längst keines Kostüms mehr bedarf, umin Rollen zu schlüpfen - wie an diesem Abendin der ausverkauften Kölnarena. Es ist dieser eine Moment während "Ashes ToAshes", als Bowie winkt, lacht und seinbraunes T-Shirt den Blick auf den flachenBauch freigibt, da wird der Verdacht zurGewissheit: Bowie spielt nur, zieht virtuosalle schauspielerischen Register beim Wechselvom theatralischen Gutelaunebold zumdepressiven Frustprinzen - und er tut diesbeeindruckend souverän. Aber es war ja auch nie Authentizität,was manDavid Bowie abverlangt hat. Was dort auf derBühne entsteht, unter den weiß getünchtenBirkenästen, auf und neben dem Laufsteg, unterund vor den Videoleinwänden, ist einKunstprodukt. Das Gute an der Inszenierung:Wenn man nicht so genau hinschaut, dann merktman es nicht. Denn er gibt sich bescheiden, der Bowie derHerbstsaison 2003: Anfangs greift er mitrotweißgestreiftem Jäckchen zur Gitarre, denRest der 105 Minuten absolviert er leger imbraunen T-Shirt mit dunkler Jeans. Einzig dasrote Halstuch lässt zunächst darauf schließen,dass er sich einen Restfunken Exaltiertheitbewahrt hat. Jene Extaltiertheit, mit der er einst "RebelRebel" präsentierte, das zum ersten Song inKöln wird. Jene Exaltiertheit, die dennochverschwunden sein muss, wenn solch einerzeitlosen Ewige-Jugend-Hymne fast übergangslosein Midtempo-Stück wie "New Killer Star" vomneuen Album "Reality" folgt. Man hört und sieht einiges von dem, wasStandard ist bei Konzerten echter Superstars:Eine musikalisch perfekte Band, eineVideoshow, die sich mit Filmschnipseln undComputeranimationen perfekt einfügt in dieKlangwelten. Alles Außergewöhnliche liegt beiBowie selbst, angefangen bei seinem Neiderweckenden Äußeren: Der beinahe 57-Jährigeist voll austrainiert, scheint nicht einmal zuschwitzen und lässt sich stets eine leichteBrise ins Gesicht und in die Haare wehen - was ihn noch besser aussehen lässt. Und er weiß, mit seiner Geschichte umzugehen,sich nicht auf peinliche Art zu wiederholen.So singt er "Heroes" auf eine Weise, die allerInbrunst der Original-Version entbehrt - wasreine Absicht ist und keineswegs der im Laufeder Zeit verlorene Muskelschmalz. Es ist dieDekonstruktion der eigenen Legende. Daseingesparte Pathos steckt Bowie in neuereStücke wie "The Loneliest Guy", das einen derintensivsten Momente des Konzerts markiert.Bowie klettert dazu auf den Laufsteg,verschmilzt mit Videoprojektionen. Um zu beweisen, dass er dennoch nicht zurMimose geworden ist, spendiert der Superstarals Zugabe herzerfrischend konventionelleVersionen von "Suffragette City" und "ZiggyStardust". Eine Versöhnung mit jenen, die nurHits hören wollen - und ein Zeugnis, dassBowie doch noch etwas besitzt von jenerEhrfurcht gebietenden Exaltiertheit. Etwas,das alle Zeitläufte und Wechsel in BowiesImage überlebt hat. Und das ihn zum großenPop-Künstler macht. Die Inhalte auf dieser und den übrigen Seiten sowie die Gestaltung der Seiten unterliegen dem Urheberrecht der Zeitungsverlagsgesellschaft E. Brost und J. Funke GmbH & Co. Die Verbreitung ist nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages zulässig. Dies gilt auch für die Aufnahme in elektronische Datenbanken und Vervielfältigung auf CD-ROM.© waz, Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages