.... wir haben uns nicht gelangweilt, obwohl der Film durchaus eine etwas ungewöhnliche Dramaturgie aufwies...
genaugenommen, eigentlich gar keine...
Die Spannung kommt weniger durch konkrete Ereignisse oder klassische Spannungsbögen, sondern sie liegt in der langsamen
Akkumulation der Ereignisse... und wie sie den Protagonisten formen.
„Wie bei einem klassischen Entwicklungsroman.“ doziert Jack, das alte Lope.
„Laaangweilig“ knurrt das Bo vor sich hin. Wir überhören das.
Jack fährt fort:
„Dabei ist die Erzählweise zwar im Großen und Ganzen chronologisch, jedoch durchbrochen von kurzen Rückblenden in einer sich
langsam vorwärts bewegenden Rahmenhandlung, die jedoch selektiv und lückenhaft bleibt.“
„Und Introspektiv“, wirft Dr. Z ein. „Die äußere Handlung bleibt elliptisch, denn der Schwerpunkt liegt auf der inneren Entwicklung...
und dieser folgt der Film sehr genau, indem er sich auf die entsprechenden Ereignisse konzentriert, die Bowies Identitätsfindung
prägen - der Bowerdung, sozusagen.“
Das Bo, das bisher recht still gewesen war, horcht auf: „Was?“
„Die Bowerdung!“, wiederholt das weise, alte Lope nachdrücklich.
Das Bo blickt auf.
Das sei ja alles gar nicht so gewesen, sagt es dann, und Johnny Flynn habe keine Cheekbones.
Die jüngeren Lopes hingegen sind der Ansicht, auf Cheekbones käme es nicht an, und Johnny machte seine Sache doch recht gut,
habe Mimik und Gestik des jungen Bowie gründlich studiert... und adaptiert, worauf das Bo etwas dumm guckt und anhub etwas zu
sagen wie „Naaa, aber sooo peinlich war ich... äh, er... doch gar nicht..“..
...als Jack weiterdoziert: „Hervorragend war die Darstellung der Unsicherheit und Zerrissenheit des identitätskrisen- geschüttelten
jungen Bowie“.... (das Bo verzieht das Gesicht), ....„geplagt von seiner Angst vor dem Familienirrsinn“:..
(hier geht das Bo aus dem Zimmer)...
Da bricht das Lope ab: „Hab ich was falsches gesagt?“
Wir schweigen kurz, ich gehe nach draußen und hole das Bo mit etwas gutem Zureden wieder herein. Er erzählt uns dann, dass das
alles schon recht gut getroffen sei – zu gut offenbar, denn es habe ihn peinlich berührt, die Erinnerung an jene wenig besuchten
Konzerte vor deplaziertem Publikum... wie das mit den Staubsaugervertretern... daran erinnert man sich nicht gerne. Und dass der
junge Bowie sich teilweise auch blöd verhalten habe... er könne das gar nicht gut gucken.
Wir stimmen ihm zu und geben ihm einen Popcorn.
Er sei das ja nicht gewesen, tröstet ihn Lady Stardust, das weiße, hübsche Lope.
Das Bo nickt. Aber so genau weiß man das bei einem Bo eben nicht.
Ich lenke dann die Aufmerksamkeit geschickt auf einen anderen Aspekt: „Das Design des Films, das hat mir gefallen. Die Tapeten....
das kubrickhafte Hotel, die Automobile...“
Das Bo ätzt: „Der Sepiaton im ganzen Film.. wie vergilbte Farbfotos. Die 70er waren knallbunt, nicht Sepia“.
Stimmt, das müssen wir bestätigen.
„Die Filmemacher waren offenbar zu jung und hatten die 70er nicht selbst erlebt, kannten sie nur von vergilbten Fotographien.“
vermutet Jack.
„Aber die Details waren nett“, sage ich dann, „wie die Plakate an der Wand... oder dass die im Supermarkt 'Twinkies' gekauft haben.“
Da kichert sogar das Bo: „Mick Ronson und die Glitzerklamotten, hihi.“
Hihihi. Ja, die Storytellers wurden offenbar gut studiert...
„Die Musik“ sage ich „Wir haben noch nicht über die Musik gesprochen!“
Vielleicht, weil es keine Bowiemusik gab in dem Film?“ lästert das Bo
„Ich hab das kaum vermisst“, grinst Jack „Har“.
Das Bo guckt böse.
Obwohl der Film sicher im Weitesten Sinne als „Musikfilm“ laufen wird, kommt die Musik selbst kaum vor. Johnny Flynn darf
„Amsterdam“ und „MyDeath“ singen – und das gar nicht schlecht – dann kommt noch was von Anthony Newley... aber viel Musik
kommt gar nicht vor. Es wird nur viel über sie geredet.
Und, am Ende, beim Ziggy-Konzert, da wird offenbar ein von den Filmemachern selbst komponiertes Glamstück gespielt... das hat
durchaus funktioneirt. Auch kam es da mehr auf die Optics an und weniger auf den Sound - obwohl die Soundtrackliste im Abspann
recht lang ist.
Viel Musik läuft im Hintergrnd.
„Mit Bowiemusik wäre es schöner gewesen“, sagt das Bo.
Da stimmen wir ihm zu.
Aber es hat auch so funktioniert.
„Angie“ wirft eines der kleineren Lopes in die Runde.
Das Bo versteckt sich hinter der Weinflasche.
„Eigentlich wurde Angie ganz gut dargestellt“, kommt Dr. Z dem alten Lope zuvor,
„Ihre beiden Seiten, wie sie ihn einerseits unterstützt, andererseits am Ende beleidigt ist und nervt.“
Aber er hat sich auch nicht nett benommen, ihr gegenüber.“ sagt Lady Stardust.
„Aber diese Ambivalenz wurde gut herausgearbeitet“, bestätigt auch das alte Lope.
Da sind wir uns einig.
„Marc Bolan war zu alt und zu fett“ grunzt es von hinter der Weinflasche.
Keiner widerspricht.
„Sollen wir nun noch den Rest des Castings durchgehen?“ fragt Jack.
Darauf haben wir nun eher keine Lust. Bei den meisten Leuten ist es auch nicht so wichtig, wie sie nun ausgesehen haben.
Beim New Yorker Besuch der „Factory“ wurde ja geschickt darauf verzichtet, Andy Warhol zu zeigen, und ob Ron Oberman genauso
ausgesehen hat, weiß ich nicht.
„Speckige Lederjacken“, meldet sich das das Bo, „waren damals zwar modern, aber sie wurden nicht von jedem und ständig getragen“.
Das lassen wir mal so stehen.
„Ron Oberman hat tatsächlich so ähnlich ausgehen, war aber wohl jünger“, meldet sich Lady Stardust zu wort, die gerade im Internet
nachgeschaut hat: „Und, er ist leider 2019 verstorben.“
„Hat er damals wirklich diesen Roadtrip allein mit Bowie quer durch die USA unternommen?“ fragt Dr. Z. „und ist es dabei wirklich
so zugegangen“?
Jack weiß es nicht. Und das Bo versteckt sich wieder hinter der Weinflasche.
Hier sind ein paar Links:
When David Bowie Came to Silver Spring - Washington City PaperHow David Bowie’s ‘adoptive’ Jewish family welcomed him to America | The...(Das mit „Sky Cobb“ wurde wohl im Film extra weggelassen.)
Hier, das Foto, das kennen wir:
Ron ObermanRon Oberman 1943 - 2019
Ron Oberman, Senior Record Executive and Former Publicist to David Bowie,...