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Thema: David Bowie ist jetzt Dorian Gray (823-mal gelesen) Vorheriges Thema - Nächstes Thema
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David Bowie ist jetzt Dorian Gray

Zitat
Zwei Popstars werben neuerdings: Robbie Williams für Autos, David Bowie für Mineralwasser. Der eine ist lustig, der andere tragisch.

Reich sein ist ein hartes Brot. Es bedeutet, sich kümmern zu müssen. Um die vielen Reichtümer. Das kostet Geld. In Europa, vor allem im zugigen Großbritannien, fließt die Kohle in die Heizkosten für die Landsitze, und im hitzigen Kalifornien sind die Feuer-Versicherungen so dermaßen angestiegen, dass man schon mal eine Platte mehr verkaufen muss, um das dolle Leben im Fluss zu halten.

Damit zwei unser liebsten Stars nicht irgendwann im Zelt enden, kann man sie nun im Kino sehen. David Bowie wirbt für Mineralwasser, Robbie Williams für ein Auto. Beiden Spots ist gemein, dass die Heroen jemanden darstellen, den sie gut kennen: sich selbst.

Williams wirft einem jungen Kerl ein paar Münzen in die Mütze, der seinen Song "Feel" völlig falsch auf der Straße darbietet, korrigiert den Text und beglückwünscht ihn zu seinem Wagen. Bowie hat in der Gegenwart nicht so viel vorzuzeigen, weshalb die Werbestrategen auf jene Figuren zurückgreifen, die Bowie höchstselbst erschaffen hat, noch bevor er das war, was Robbie heute ist, ein Superstar: Ziggy Stardust, Thin White Duke, Aladdin Sane.

Williams Auto-Werbung erzählt eine originelle Geschichte und ist von sprühender Selbstironie. Auch Bowie reißt es zu einem Augenzwinkern - es geht aber nicht um den Plot, sondern um die Tragik der Bowieschen Figur, die in dem direkten Vergleich so überdeutlich wird.

Wärend der Williams-Spot in der Jetztzeit spielt und sich mit dem gegenwärtigen Ruhm befasst, bleibt Bowie nur der Blick zurück. Und dieser kurze Blick, der dem Zuschauer in Bowies Vergangenheit gewährt wird, erinnert an diese fantasievolle Gestalt von einst. Jemand, der mit seiner Sexualität und seiner Identität spielte, der Zwischenwesen schuf und musikalisch eine Epoche prägte.

Das ist mehr, als man Robbie Williams zu seinem 56. Geburtstag wird nachsagen können. Und dennoch mutet die immer noch attraktive, aber starre Fratze Bowies wie die Dorian Grays an. Bowie schaut zurück auf sein wechselndes Alter Ego, sieht den kraftvollen, wilden Rebellen, der er einst war, den ruhigen Aladdin Sane. Es ist der Blick eines Mannes, von dem nur noch die Hülle übrig ist. Gut ausgeleuchtet, aber keine wirkliche Person. David Bowie als Musiker? Seine letzte Platte hat sich nicht besonders verkauft. Seine aktuelle Tour ist bei den Kritikern durchgefallen. Stilistische Maßstäbe setzt er schon lange nicht mehr.

Der Spot ist unterhaltsam, und das Geld sei ihm gegönnt. Das französische Wasser sollte man aber lieber nicht trinken. Wäre es wirklich so toll, hätte Bowie die Schönheitsoperation nicht nötig gehabt.

taz Nr. 7212 vom 19.11.2003, silke burmester

David Bowie ist jetzt Dorian Gray

Antwort #1
:twisted: Recht intelligent geschriebener taz-Artikel, nur mit reichlich Häme und Verzerrung. Freilich, DB wäre aus meiner Sicht eine Ideal-
besetzung für die Filmrolle "Dorian Gray"; nur erscheint er mir heute nicht als Epigon seiner selbst, sondern immer noch innovativ. Übrigens scheinen
die neusten Projekte bei Kritik und Publikum doch etwas erfolgreicher als
es die Autorin unterstellt.

David Bowie ist jetzt Dorian Gray

Antwort #2
@Frosch: Was ist ein Epigon?

Und ist es eine allgemeine Tatsache, dass sich DB hat operieren lassen?

David Bowie ist jetzt Dorian Gray

Antwort #3
Zitat
@Frosch: Was ist ein Epigon?
Abklatsch... Nachahmer, Nachfolger...

gruß, Z :schlaumeier:

David Bowie ist jetzt Dorian Gray

Antwort #4
Ist doch nur eine Frage des Standpunktes, oder? Also über wir uns mal wieder in Toleranz und lassen der Verfasserin ihr Weltmodell. Von denen gibt es ja bekanntlich so viele, wie es Menschen auf der Welt gibt.

Da gab es ja auch schon andere Artikel, in denen Bo als endlich authentisch oder real bezeichnet wurde. Ich kann mich mit dem Gedanken eher anfreunden. Denn ich konnte mit seinen Alter Egos nie sehr viel anfangen und fand ihn erstmals richtig interessant, als er zu seinen Berliner Zeiten die Maskeraden abgelegt hatte. Aber das ist halt mein Modell.

o.

David Bowie ist jetzt Dorian Gray

Antwort #5
Ich finde, dieses hübsche Spielchen mit all seinen früheren Figuren, ist äußerst selbstironisch zu verstehen und noch dazu um Nummern tiefgründiger, als Robbies leichtfüßig-komödiantische Autowerbung. Das sind doch zwei völlig unterschiedliche Künstlerpersönlichkeiten, die auch ganz Verschiedenes dartstellen und rüberbringen wollen. Und, wenn ihr mich fragt, ist der Vittel-Spot für eine Mineralwasser-Werbung ziemlich inovativ. Wer macht schon eine so große Kampagne, die allein auf der Ausstrahlung und Geschichte eines in Würde alternden Mannes aufbaut, der nie wirklich Mainstream war. Da gehört zum einen ne Menge Mut zu und zum anderen (da sicherlich im Vorfeld auch intensive Marktfoschung betrieben worden ist) großes Vertrauen in die noch immer außerordentliche Wirkung Bowies.
Am Rande, finde ich, ist noch anzumerken, dass die gute Frau Autorin für einen TAZ-Artikel ziemlich in die Klischeekiste gegriffen hat und alles andere als objektiv urteilt. Die Sache mit dem Lifting zum Beispiel gehört da einfach nicht rein und ist eher BILD-Niveau.

Liebe Grüße, Felis

 
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