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Thema: Moonlight Mile (481-mal gelesen) Vorheriges Thema - Nächstes Thema
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Moonlight Mile

Zitat
Wenn eine geliebte Person stirbt
 
Neu im Kino: Brad Silberlings Familiengeschichte «Moonlight Mile»
 
In Brad Silberlings Drama «Moonlight Mile» müssen Dustin Hoffman und Susan Sarandon lernen, mit dem Tod ihrer Tochter zu leben.

Walter Gasperi

Der junge Joe (Jake Gyllenhaal) wacht auf, duscht sich, zieht einen eleganten schwarzen Anzug an. Immer wieder klingelt das Telefon und der ältere Ben (Dustin Hoffman) gibt während des Rasierens letzte Anweisungen für eine Feier: Nur nicht über Gott soll der Rabbi sprechen. Zwischendurch erhält auch der Hund sein Fressen und durch dessen Name «Nixon» wird «Moonlight Mile» in die frühen 70er-Jahre, die Zeit des zu Ende gehenden Vietnam-Krieges, eingeordnet. Als dritte Person kommt vom Obergeschoss Jojo (Susan Sarandon) und mit den vor dem Haus geparkten Limousinen gehts quer durch die Kleinstadt zur - bisher ebenso wenig wie die Personenkonstellation genauer definierten - Zeremonie: Joes Verlobte, Jojos und Bens Tochter Diana, die zufällig in einen Schusswechsel geriet, wird beerdigt.

Mut zur Wahrheit
Wie Nanni Moretti in «La Stanza del Figlio» oder Todd Fields in «In the Bedroom» stellt auch Silberling die Frage, wie man mit dem Tod einer nahe stehenden Person umgeht, wie man den Verlust verschmerzt. Der Immobilienmakler Ben stürzt sich in Arbeit und verdrängt die Trauer, die Schriftstellerin Jojo reagiert sarkastisch auf die zahlreichen Beileidsbekundungen, leidet aber fortan an einer Schreibblockade. Doch immer wieder bricht die Verzweiflung der Eltern durch, vor allem in Gesprächen mit dem Beinah-Schwiegersohn Joe, der sich verpflichtet fühlt, dem Ehepaar beizustehen, es gleichwohl nicht wagt, ihnen die Wahrheit über seine Beziehung zu Diana zu offenbaren. Erst die Bereitschaft, sich der Realität zu stellen und freie Entscheidungen zu treffen, löst die Verkrampfungen, macht ein Weiterleben nach dem Verlust möglich.

Elegant, aber kantenlos
So ernst der Stoff auch ist, wirklich weh tun will Silberling, der 1989 selbst seine damalige Freundin durch einen Mord verloren hat, dem Publikum nicht. Geschickt wird die Tragik immer wieder mit Komik aufgebrochen, gefühlvoll und erfreulich unspektakulär wird erzählt; aber die Lösungsansätze sind zu einfach. Zu glatt und kantenlos werden trotz exzellenter schauspielerischer Leistungen die Schmerzhaftigkeit des Verlusts und die Schwierigkeit zu trauern herausgearbeitet: Familientauglichkeit und nachwirkungsfreie Konsumierbarkeit erhalten den Vorrang vor einer bohrenden psychologischen Studie. Getragen wird diese Intention von Silberlings elegantem wie sanftem Inszenierungsstil. Jede Farb- und Lichtnuance wird exakt gesetzt; Ton in Ton, nah an der Grenze zum kunstgewerblichen Styling, sind die meisten Szenen in warmes Braun, die Nachtszenen in kaltes Blau getaucht, fliessend ist der Erzählrhythmus. Ein superber Soundtrack mit Songs von Bob Dylan, den Rolling Stones, David Bowie und Van Morrison sorgt für akustischen Genuss.

Aus dem TAGBLATT vom Donnerstag, 15. Mai 2003.

 
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