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Thema: Stadt der Helden und der Schergen (393-mal gelesen) Vorheriges Thema - Nächstes Thema
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Stadt der Helden und der Schergen

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... Dies faszinierte auch vermeintlich Unpolitische. Nur einen kleinen Fußmarsch vom Schöneberger Rathaus entfernt, entstand 14 Jahre später ein Hymne, die in ihrem Pathos der Kennedy-Rede wenig nachstand: "Heroes" von David Bowie. Dieser hatte sich angewidert vom Ruhm in Hollywood und England in ein exotisches Abseits geflüchtet und bezog 1976 eine Altbauwohnung in der Schöneberger Hauptstraße 155. Alle zehn Zimmer ließ er schwarz streichen.

Bowie, ein studierter Intellektueller unter den Popstars, wusste viel von der Geschichte, aber als er in Berlin ankam, ahnte er nicht, dass er dieser Stadt verfallen würde und Tag und Nacht durch ihre Vororte und heruntergekommenen Viertel streichen sollte. Jede Ecke erkunden würde, weil alles in Berlin anders war, als er es kannte. Mit einem alten Mercedes besichtigte er Straße für Straße, Haus für Haus.

Eine Art absoluter Anti-Idylle: "Das kulturell Extravaganteste, was man sich zurzeit vorstellen kann", erklärte Bowie. "Eine Stadt voller Bars für traurige, enttäuschte Menschen. Das liebe ich." Während zur selben Zeit in London Punk als eine Art anarchischer Karneval gefeiert wurde, war der depressive Nihilismus des "No Future" in Berlin längst Alltagskultur geworden. Da passt es gut ins Bild, dass Bowie zusammen mit Iggy Pop nach Berlin gezogen war: dem ersten Punk, dem Urpunk - ebenso wie Bowie schwer kokainabhängig und vom eigenen Ruhm erdrosselt. Gemeinsam traten die beiden eine Reise ans Ende der Nacht an. Romy Haag, Berlins Renommier-Transsexuelle, wurde Partnerin Bowies und beschreibt dessen Tiefpunkte: "Abends lag er meist zugeknallt in meiner Garderobe herum." Und weiter: "Leute, die viel koksen, verlieren ihren Eigengeruch und riechen wie ein Chemiebaukasten. So war es auch bei David."

Die erste LP hieß "Low". Damit schlug Bowie unten auf.

Danach entfalteten die heilenden Kräfte der Stadt ihre Wirkung. Die Lebensmittelabteilung des KaDeWe, die Gemälde des Brückemuseums in Dahlem, die Spaziergänge am Wannsee - dies waren Bowies Favoriten. Der Popstar wuchs in eine neue Normalität - ohne Paparazzi und roten Teppich. "Ich glaube", so erinnerte sich Bowie später, "die Leute hatten einfach genug eigene Probleme. Die brauchten nicht auch noch mich und meine Probleme." Die nächste LP hieß "Heroes" und ihr Titelsong wurde zur Hymne einer ungebrochenen Lebensfreude, die Bowie so nur in Berlin erlebt hatte...

WELT AM SONNTAG



Reinhold

Stadt der Helden und der Schergen

Antwort #1
Danke Reinhold :-)

 
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